
Was Sie wissen müssen, wenn Sie krankgeschrieben sind und eine Kündigung erhalten!
Die Vorstellung, dass eine Kündigung während einer Krankschreibung ausgeschlossen ist, ist weit verbreitet – aber falsch. Arbeitnehmer:innen sind zwar durch das Kündigungsschutzgesetz und weitere gesetzliche Regelungen geschützt, doch eine Arbeitsunfähigkeit allein bietet keinen automatischen Kündigungsschutz.
Im Gegenteil: Arbeitgeber dürfen auch während einer Krankschreibung kündigen – allerdings nicht willkürlich. Die Kündigung muss rechtlich zulässig und gut begründet sein.
Rechtlicher Hintergrund: Was gilt bei Kündigung während Sie krankgeschrieben sind?
Der Arbeitgeber darf grundsätzlich jederzeit kündigen, auch während einer laufenden Arbeitsunfähigkeit – das ist durch keine gesetzliche Vorschrift verboten. Entscheidend ist, ob die Kündigung im Einzelfall sozial gerechtfertigt ist (§ 1 KSchG), sofern das Kündigungsschutzgesetz überhaupt Anwendung findet (mehr als sechs Monate im Betrieb, mehr als zehn Mitarbeiter).
Kündigungsarten und ihre Besonderheiten bei Krankschreibung
1. Ordentliche Kündigung wegen Krankheit (personenbedingt)
Eine Krankheit kann in bestimmten Konstellationen selbst ein Kündigungsgrund sein. Hier ist besondere Sorgfalt gefragt:
Die Rechtsprechung verlangt eine dreistufige Prüfung:
1. Negative Gesundheitsprognose: Es muss objektive Anhaltspunkte dafür geben, dass in Zukunft mit weiteren – erheblichen – krankheitsbedingten Ausfällen zu rechnen ist.
2. Betriebliche Beeinträchtigung: Diese Ausfälle müssen den Betrieb stören – z. B. durch dauerhafte Vertretungskosten, Produktivitätsverlust, erhebliche Lohnfortzahlung.
3. Interessenabwägung: Schließlich muss das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schwerer wiegen als das des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand.
Beispiel:
Ein Mitarbeiter war in den letzten zwei Jahren jeweils acht Monate krank und eine Besserung ist nicht absehbar. Der Arbeitgeber muss regelmäßig Ersatz stellen. → Kündigung kann unter Umständen wirksam sein.
Wichtig: Das Unternehmen muss in der Regel vorher ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) anbieten (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Fehlt das bEM, kann die Kündigung zwar trotzdem wirksam sein, aber das Risiko für den Arbeitgeber steigt erheblich.
2. Verhaltensbedingte Kündigung trotz Krankheit
Eine Krankschreibung schützt auch nicht davor, wegen Fehlverhaltens gekündigt zu werden, z. B.:
• Vortäuschen einer Erkrankung („Krankfeiern“),
• Verstöße gegen Anweisungen,
• eigenmächtiger Urlaubsantritt während Krankschreibung.
Hier kann der Arbeitgeber unter Umständen sogar außerordentlich fristlos kündigen, sofern die Pflichtverletzung besonders schwer wiegt.
Beispiel: Ein Mitarbeiter meldet sich krank – wird aber bei körperlich anstrengenden Arbeiten für ein privates Umzugsunternehmen beobachtet.
3. Betriebsbedingte Kündigung trotz Krankschreibung
Auch eine betriebsbedingte Kündigung ist während der Krankheit möglich – z. B. bei Standortschließung oder Stellenabbau.
Die Krankschreibung hindert den Arbeitgeber nicht daran, sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen vom Arbeitnehmer zu trennen – solange die Auswahl ordnungsgemäß (z. B. über Sozialauswahl) erfolgt.
Zugang der Kündigung während Krankheit
Auch wenn der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist, gilt: Eine Kündigung wird mit Zugang beim Arbeitnehmer wirksam.
Wird die Kündigung während einer Krankheit per Post oder Boten zugestellt, beginnt ab dem Zustelltag die 3-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) – auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung aus gesundheitlichen Gründen nicht sofort zur Kenntnis nimmt.
Was tun nach Erhalt der Kündigung?
Nach Zugang der Kündigung haben Sie genau drei Wochen Zeit, um Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam – selbst wenn sie objektiv rechtswidrig war.
Daher gilt:
Bei Kündigung während der Krankschreibung – sofort handeln!
Am besten: Rechtsanwalt kontaktieren und die Kündigung umfassend prüfen lassen.
Welche Rechte haben Arbeitnehmer:innen bei Kündigung während Krankheit?
Wenn sich die Kündigung als unwirksam herausstellt, besteht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung – ggf. auch auf Nachzahlung von Lohn für die Zeit nach der Kündigung.
Oft kann im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens auch eine Abfindung verhandelt werden – insbesondere wenn der Arbeitgeber an einer einvernehmlichen Trennung interessiert ist.
Fazit: Krankgeschrieben – aber nicht unkündbar
Eine Krankschreibung schützt nicht automatisch vor einer Kündigung – auch wenn viele das glauben.
Doch: Eine Kündigung während Krankheit ist rechtlich besonders angreifbar, insbesondere wenn sie ohne bEM oder ohne nachvollziehbare Gründe erfolgt.
Unsere Empfehlung
Wenn Sie während einer Krankschreibung eine Kündigung erhalten haben:
• Nehmen Sie die Kündigung nicht einfach hin
• Lassen Sie sie durch unsere Kanzlei prüfen
• Achten Sie unbedingt auf die 3-Wochen-Frist
In vielen Fällen besteht die Möglichkeit, die Kündigung erfolgreich abzuwehren oder eine attraktive Abfindung zu erzielen.
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